Loading...

/ vorprogrammiert /

Programmheftbeitrag/Gratulation zum 95. Geburtstag von Gottfried Michael Koenig

(Instituut voor Sonologie, Den Haag, 5. Oktober 2021)

Dies wäre nicht der Ort zur Erinnerung irgendwelcher autobiographischen (Ko-)Inzidenzen, wäre hier nicht ganz genau der Ort dafür.

Mein musikalischer Weg hatte – wie der von Gottfried Michael Koenig 30 Jahre früher – von Köln nach Holland geführt, in meinem Fall zu Geoffrey Madge, den ich als staunender Umblätterer beim WDR kennengelernt hatte. Wie Koenig gehörte er für mich zum Kanon dessen, was (mir) um 1990 als „die“ Neue Musik schien, ungebrochen und emphatisch. –

Später, als ich in der Bibliotheek des Koninklijk Conservatorium Zwei Klavierstücke von 1957 aus dem Regal ziehe – vielleicht mit dem Instituut vor Sonologie nach Den Haag gekommen -, ist meine Neugier geweckt, denn von Koenig kenne ich bis dahin viele Gedanken auf Papier und Klänge aus Elektronik, aber keine Musik für Instrumente und Interpreten. Ich sehe hier eine Aufgabe – die Stücke sehen gut aus, komplex und übersichtlich zugleich, doch erst später wiederum werde ich wissen, welche Aufgabe das sein soll. Ich habe inzwischen mein Studium beendet und diese Stücke ein paarmal aufgeführt, in Heidelberg und Frankfurt – doch aus heutiger Sicht scheint ganz genau seit jenem Moment in der Bibliotheek der Juliana van Stolberglaan alles vorprogrammiert (das bonmot sei verziehen!): 1995 nämlich sollte eine meiner ersten eigenen Rundfunkproduktionen beim WDR Koenigs Zwei Klavierstücken gelten, natürlich in Köln. Harry Vogt als Redakteur nahm meinen Vorschlag sofort auf, und ich die Stücke.

Später spielte ich sie wieder, lernte Koenig kennen, konversierte mit ihm über das viel jüngere „Klavierbuch“ von 2012, eine gewaltige Lektüre auf dem Notenständer, und begegne ihm immer wieder, in allen Gestalten.

Und besonders heute, wo die sog. Künstliche Intelligenz zu komponieren begonnen hat, muss man wünschen, sie habe ihren Koenig gelesen und sich einverleibt: die Schriften genauso wie die Musik.

Ihm aber muss man alles Gute wünschen, gute Gedanken und Klänge – Koenig bleibt aktuell, er muss vorprogrammiert sein bis weit über 100!

J. Marc Reichow, Pianist und Autor, Klavierstudium in Köln und Den Haag (1988-1996, bei Geoffrey Madge und Stanley Hoogland); Rundfunk- und CD-Produktionen mit zahlreichen Ersteinspielungen (Boehmer, Koenig, Krenek, Leibowitz, Steuermann, Wolpe), heute einer der künstlerischen Leiter beim KlangForum Heidelberg

Zum Download (PDF des gedruckten Programmhefts, Institute of Sonology, Hg. Kees Tazelaar)